Herausforderung Bio: Ein Landwirt stellt um
Einen Betrieb auf Bio umzustellen, ist eine große Herausforderung. Landwirte müssen viel Geld und Arbeit investieren. Der NDR hat ein Jahr lang einen Sauenhalter aus Niedersachsen begleitet.
"Hola, hola, komm mal her hier", Landwirt Lars Prigge redet beruhigend auf seine Sauen ein, während er sie mit einem Paddel durch den dunklen Stallgang treibt. Es ist Februar 2020 und ein besonderer Tag auf dem Hof nahe Stade in Niedersachsen.
Denn die Sauen von Bauer Prigge beziehen heute ihren neuen Stall, der nun endlich nach einem kräftezehrenden Umbau Bio-Standards entspricht. Kaum angekommen, trotten die Tiere nach draußen in den überdachten Außenbereich und stecken ihre Schnauzen in die Einstreu.
Sauenhalter stellt auf Bio um
Früher standen die Schweine hier auf Betonspalten, mit weniger Platz und ohne Auslauf. Doch die konventionelle Sauenhaltung lohnte sich für Landwirt Prigge finanziell nicht mehr. So hat er 2017 begonnen, seinen Familienbetrieb nach und nach auf Bio umzustellen. So eine Neuausrichtung ist ein jahrelanger Prozess. Auch nach dem Stallumbau muss der Sauenhalter immer neue Herausforderungen meistern.
Im April sät er zum ersten Mal Erbsen. "Damit können wir die Eiweiß-Komponente im Schweinefutter selber erzeugen", so Prigge am Feldrand. Denn in der ökologischen Haltung müssen Landwirte fünfzig Prozent ihres Futters auf dem eigenen Betrieb anbauen oder es bei einem Bio-Kooperationspartner kaufen. Doch ob das mit dem Erbsenanbau klappt, wird der Landwirt erst im August wissen.
Schweinehalter: Nur 5 Prozent wirtschaften ökologisch
Auch wenn das Interesse nach Angaben von Niedersachsens Landwirtschaftskammer steigt, entscheiden sich bisher nur wenige Landwirte dafür, auf Bio umzustellen. Nur fünf Prozent der Betriebe, die Schweine halten, wirtschaften in Deutschland ökologisch. Da Bio-Betriebe eher weniger Tiere besitzen, wird bundesweit nur ein Prozent aller Schweine ökologisch gehalten.
Die Politik versucht, Bio-Betriebe mit verschiedenen Förderprogrammen zu unterstützen. Im Schnitt der vergangenen Jahre haben ökologisch wirtschaftende Höfe nach Angaben des niedersächsischen Agrarministeriums im Land rund 57.800 Euro pro Betrieb an Subventionen erhalten, konventionelle Höfe dagegen rund 35.200 Euro.
Bio-Umstellung: Viele neue Herausforderungen
Lars Prigge meint, nicht immer seien die Förderprogramme passgenau. Außerdem beklagt der Landwirt zu viel Bürokratie. Aber die Beratung habe ihm bei der Umstellung schon sehr geholfen, so Prigge. Denn obwohl er ein erfahrener Schweinehalter ist, muss er während der Umstellung viel Neues lernen.
Im April steht er neben einer mit Stroh ausgelegten Hütte und schaut auf einen Wurf frisch geborener kleiner rosa Ferkel. "Top", sagt Lars Prigge. Doch die eigentliche Herausforderung für einen Öko-Bauern beginnt jetzt: Die kleinen, noch schwachen Tiere groß zu bekommen, ist eine schwierige Aufgabe.
In konventionellen Ställen sind die Sauen für einige Zeit in einem Käfig, dem sogenannten Ferkelschutzkorb, fixiert, damit sie sich nicht auf ihre Ferkel legen können. In der Bio-Haltung dagegen müssen sich die Sauen frei bewegen dürfen. Dadurch kommt es immer wieder vor, dass sie Ferkel erdrücken.
Bio-Tiere nicht unbedingt gesünder
Grundsätzlich können Tiere in Bio-Haltung zwar ihren natürlichen Bedürfnissen eher nachgehen als in konventionellen Ställen, das bedeutet aber nicht, dass sie automatisch gesünder sind. Die Probleme sind hier einfach andere. Bio-Halter kämpfen zum Beispiel eher mit Parasitenbefall ihrer Tiere.
Mitte August sind endlich die Erbsen reif. Der Mähdrescher rollt in der heißen Sommersonne über das Feld. Lars Prigge ist nervös. Er schaut sich die frisch geernteten Erbsen in seiner Hand an. Einige sind noch grün. "Ist ein bisschen feucht", so Prigge, "die sind gerade so an der Grenze." Soll er mit der weiteren Ernte warten? "Morgen ist Regen angekündigt, und es soll die ganze nächste Woche regnen." Der Landwirt entscheidet sich, alle Erbsen abzuernten. Dafür muss er sie nun in einer Halle trocknen lassen, damit sie nicht schimmeln, das kostet extra.
Bio-Ferkel erzielen höhere Preise
Damit sich die Umstellung auf Bio lohnt, muss vorher die Vermarktung gesichert sein, schreibt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Lars Prigge hat Abnehmer gefunden. Für ein Bio-Ferkel bekommt er vom Mäster so etwa 130 bis 140 Euro. Für seine konventionellen Ferkel bekam er früher zwischen 30 und 70 Euro.
Damit sich die Bio-Branche langfristig gut entwickeln kann, wünscht sich der niedersächsische Landwirt, dass die Bundesregierung die Nachfrage ankurbelt. Die Politik habe doch Einfluss auf ihre eigenen Kantinen im Bundestag, in der Verwaltung, in Schulen und Kitas, so Prigge, da müsste man die Versorgung doch schon mal umstellen.
Kaum Bio-Lebensmittel in Kantinen
Das sehen auch viele Experten so. Denn Lebensmittel werden nicht nur im Supermarkt gekauft, um sie zu Hause zu essen. Ein Drittel des Lebensmittelumsatzes wird in Kantinen, Mensen und Restaurants gemacht. Der Bio-Anteil in dieser Außerhaus-Verpflegung ist verschwindend gering und liegt nach Schätzungen bei 1,3 Prozent.
Landwirtschaftsministerin Klöckner: Initiative "BioBitte" gestartet
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärt auf Nachfrage gegenüber dem NDR, dass sie die Initiative "BioBitte" gestartet habe. Sie soll Entscheidungsträgerinnen und -träger in der kommunalen Verwaltung und Kantinenleiterinnen und -leiter mit Informationen und Veranstaltungen dabei unterstützen, mehr Bio in öffentliche Küchen zu bringen.
Andere Länder sind hier allerdings schon wesentlich weiter. In Dänemark liegt der Bio-Anteil in öffentlichen Einrichtungen nach einer aktuellen Studie der Uni Kopenhagen mittlerweile bei über 20 Prozent, in Schweden sogar bei knapp 40 Prozent. Laut der Studie besteht etwa die schwedische Strategie darin, konkrete Ziele festzulegen, wie viel Bio-Lebensmittel von öffentlichen Küchen beschafft werden sollen, die die Kommunen dann einhalten müssen.
"Man kann wieder mehr Bauer sein"
Ob und wie schnell der Bio-Markt in Deutschland wachsen wird, ist unklar. Und wie geht es Sauenhalter Lars Prigge im Frühjahr 2021? Er schüttet Futter in die Tröge, Futter, das er selbst angebaut hat. "Man kann wieder mehr Bauer sein", sagt Prigge. Er wirkt zufrieden, aber auch sehr müde.
Ob die Umstellung auf Bio die Mühe wert ist? Lars Prigge schaut nachdenklich: "Werden wir wahrscheinlich erst in den nächsten Jahren sehen, ob wir existieren können unter den Bedingungen, ob wir die Arbeit schaffen, ob die Familie gesund bleibt dabei, weil die körperliche Arbeit doch auch zehrend ist."