Stand: 08.03.2016 17:40 Uhr

Die neue Armut in Deutschland

von Mareike Burgschat, Philipp Hennig, Dörte Petsch & Niklas Schenck

Wenn in Schwerin ein Mal in der Woche die Tafel ihre Türen öffnet, bilden sich schon Stunden vorher Schlangen. Oft sind es bis zu 180 Menschen, die sich mit kostenlosen Lebensmitteln eindecken wollen: Rentner, Hartz IV-Empfänger, Einwanderer aus Osteuropa und junge Mütter. Sie alle kämen ohne die gespendeten Lebensmittel nur schlecht über die Runden.

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Seit einiger Zeit kommt noch eine neue Gruppe dazu: Flüchtlinge. Und das bringt die Schweriner Tafel in Bedrängnis. Die gespendeten Lebensmittel reichen einfach nicht mehr aus, die Zahl der Bedürftigen ist zu groß, deshalb hat die Tafel seit Ende November 2015 einen Annahmestopp. Manche sehen die Flüchtlinge schon als Konkurrenz: "Durch die ganzen Flüchtlinge alleine bleibt manchmal nicht mehr viel für die Deutschen.  Das habe ich gemerkt wo ich mich angemeldet habe. Die haben mich noch gerade so aufgenommen, weil hier schon so viele Ausländer drin sind", sagt zum Beispiel eine junge Mutter. In Schwerin wird versucht das Verhältnis zu wahren: Ein Drittel Deutsche, ein Drittel Osteuropäer und ein Drittel Flüchtlinge werden versorgt.

Mehr Menschen sind auf Hilfe angewiesen

Die Zahl der Armen, die auf karitative Unterstützung angewiesen sind, nimmt stetig zu. Auch ohne Flüchtlinge. In einer Suppenküche des Diakonischen Werkes in Hannover bekommen Bedürftige ein warmes Mittagessen. Geduldig warten Rentner, Obdachlose und Hartz IV-Empfänger in der Schlange, kaum ein Flüchtling. Und auch hier schaut manch einer sorgenvoll in die Zukunft. "Was hier abläuft ist eigentlich eine Katastrophe, ich habe das jetzt die Jahre über beobachtet: Es wird immer mehr. Immer mehr. Auch dieses Jahr sind wieder viele fremde Gesichter dazu gekommen“, erzählt ein Gast. Dass das Essen irgendwann nicht mehr für alle reicht - davor müsse sich niemand fürchten, verspricht Isabelle Nowak vom Diakonischen Werk Hannover. Sie ist verantwortlich für die Essensausgabe, hat die Zahlen der Gäste genau im Blick. Es seien zwar mehr Menschen auf ihre Hilfe angewiesen, aber man sei gut aufgestellt.

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Konkurrenz wächst schleichend

Dass ihm etwas weggenommen wird, befürchtet hingegen Kalle. Er sitzt in einer Aufwärmstube für Obdachlose am Hannoverschen Hauptbahnhof, dem "Mecki". "Wenn du hier was haben willst, kriegst du nichts mehr. Wenn die hingehen, die kriegen alles. Das ist es ja, ne. Das ist grundverkehrt." Mit "die" meint er Migranten aus Osteuropa, die auf der Suche nach Arbeit in Deutschland in den letzten Jahren auf der Straße gestrandet sind. Auch sie nutzen das "Mecki", um sich aufzuwärmen oder ein Brötchen zu essen.

Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Köln
Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge warnt vor einem Verdrängungswettbewerb zwischen Einheimischen und Flüchtlingen.

Schleichend wird die Konkurrenz unter den Ärmeren größer. Noch tritt es nicht offen zu Tage, aber es beginnt zu rumoren. Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Köln, warnt vor dem, was da droht: "Es besteht die Gefahr, dass es gerade in diesem Bereich der Versorgung - karitative Einrichtungen, Lebensmittel-Tafeln, Möbellager und Kleiderkammern der Wohlfahrtsverbände - zu einem Verdrängungswettbewerb zwischen Einheimischen und Flüchtlingen kommt. Und dass man vor allen Dingen auch nicht genügend hat, um alle zu versorgen. Und wenn das der Fall ist, dann würde das natürlich eine besondere Krise des Sozialstaats bedeuten."   

In Schwerin und Hannover sind diejenigen, die keinen Unterschied machen, woher jemand kommt, noch in der Überzahl. Armut, so sagen sie, verbindet. Noch aber bekommt auch jeder, was er braucht. Das muss aber nicht so bleiben, wenn der Staat die Versorgung der Hilfsbedürftigen in großem Maße den Ehrenamtlichen überlässt - und noch mehr Flüchtlinge kommen, die ebenfalls auf Hilfe angewiesen sind, so Politikwissenschaftler Butterwegge.   

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 08.03.2016 | 21:15 Uhr

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Sozialpolitik

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