Cum-Ex-Skandal: Ermittler durchsuchen Bank in Hamburg
Ermittler der Staatsanwaltschaft Köln haben heute morgen die Räume der Hamburger Varengold Bank durchsucht. Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung werfen die Ermittler früheren und aktuellen Vorständen und Mitarbeitern der Bank Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen vor. Von 2010 bis 2016 soll die Bank an sogenannten Cum-Ex- und ähnlichen Geschäften beteiligt gewesen sein.
Die zweite Durchsuchung
Bereits im November 2016 hatten die Ermittler die Varengold Bank schon einmal durchsucht. Der Verdacht damals: Die Varengold soll zwischen 2009 und 2011 an Cum-Ex-Geschäften beteiligt gewesen sein. Mittlerweile haben die Staatsanwälte und Steuerfahnder ihre Ermittlungen ausgeweitet und an diesem Dienstagmorgen ein zweites Mal durchsucht, weil die Varengold auch nach 2012 steuergetriebene Geschäfte abgewickelt haben soll, also Deals deren Erträge nur aus der Steuerkasse kommen.
Cum-Ex-Geschäfte auch nach Gesetzesänderung
Dabei hatte die Bundesregierung Ende 2011 mit einer Gesetzesänderung versucht, genau diese Geschäfte zu unterbinden. Doch die Ermittler haben den Verdacht, dass die Varengold auch nach der Gesetzesänderung Cum-Ex-ähnliche Geschäfte abwickelte und damit bis 2016 den deutschen Fiskus um Millionen betrog. Die Varengold selbst wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Milliardenschaden für den Fiskus
Bei Cum-Ex-Geschäften werden große Mengen Aktien rund um den Tag der Dividendenausschüttung so verwirrend im Kreis gehandelt, dass sich die Beteiligten am Schluss Steuern vom Finanzamt erstatten lassen, die sie zuvor nicht bezahlt haben. Die illegalen Geschäfte sollen allein die deutschen Steuerzahler etwa 10 Milliarden Euro gekostet haben.
Kleine Bank, große Geschäfte
Die Varengold Bank gibt es seit 1995. Anfangs scheinen die Geschäfte jedoch nicht so gut zu laufen. 2009 ist die Bank mit acht Millionen Bilanzsumme geradezu winzig und macht einen Jahresverlust von rund 500.000 Euro. Doch dann entdeckt die Varengold offenbar das Cum-Ex-Geschäft für sich. Innerhalb kürzester Zeit erwirtschaftet sie Millionen. Varengold-Banker hätten 2010 - so der Verdacht der Staatsanwaltschaft - binnen drei Monaten Aktien im Wert von elf Milliarden Euro gekauft und verkauft, um ungerechtfertigte Steuergutschriften in Höhe von 92 Millionen Euro abzukassieren.
Im Jahr 2014 steigt bei Varengold dann eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Cum-Ex-Szene ein - Sanjay Shah. Wegen seiner mutmaßlichen Cum-Ex-Betrügereien ermitteln mittlerweile Staatsanwaltschaften aus mehreren europäischen Ländern gegen den Briten. Shah kauft sich in die Varengold Bank ein und wird Aufsichtsrat. Nach Ansicht der Ermittler soll er mit Cum-Ex-Geschäften die dänische Steuerkasse um etwa 1,7 Milliarden Euro betrogen haben. Deswegen ermittelt auch die dänische Staatsanwaltschaft gegen ihn.
Shah soll die Hamburger Bank vor allem zum Waschen eines Teils seiner Cum-Ex-Gelder aus Dänemark genutzt haben. Die dänischen Ermittler gehen davon aus, dass Shah mindestens 500 Millionen Euro dänischer Cum-Ex-Gelder durch die Bank geschleust hat. Auch die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt deswegen gegen Shah und die Varengold. Auf Anfrage weist Shah die Vorwürfe zurück, er hält seine Geschäfte bis heute für legal.
Von Beust ehemaliger Beirat
2012 gelingt Varengold die Verpflichtung eines prominenten Hamburgers. Der frühere CDU-Bürgermeister Ole von Beust berät die Bank als Beirat. Die Personalie des Ex-Bürgermeisters ist damals auch Thema auf der Hauptversammlung der Bank: Dort wird verkündet, der Beirat bestünde aktuell aus einer Person, nämlich dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister. Er unterstütze die Bank mit seinen Kontakten als "Türöffner". Ein Jahr später gibt Ole von Beust seinen Job als Beirat wieder auf. Er selbst sagt auf NDR-Anfrage, Cum-Ex-Geschäfte seien nach seiner Erinnerung niemals Gegenstand der Beratungen im Beirat oder anderer Gespräche bei Varengold gewesen. "Etwaige Aktivitäten der Bank auf diesem Gebiet kannte und kenne er nicht." Grundsätzlich, so von Beust weiter, halte er nichts von Geschäften "am Rande der Legalität", etwa zur reinen Steuervermeidung.