Luxemburg Leaks: fragwürdige Steuerpraktiken enthüllt - Finanzbehörden des Großherzogtums genehmigten hundertfach fragwürdige Steuerspar-Konstruktionen
Deutsche und internationale Konzerne vermeiden mit Unterstützung der Luxemburger Regierung Steuerzahlungen in Milliardenhöhe. Das zeigt die Auswertung von 28.000 Seiten geheimer Dokumente. Das Datenleck belegt, dass die Luxemburger Behörden zum Teil äußerst komplizierte Finanzstrukturen genehmigten, die das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag der Firmen entwickelt hatte. Manche Unternehmen haben aufgrund dieser Steuergestaltungen auf Gewinne teilweise weniger als ein Prozent Steuern gezahlt.
Monatelang hat das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) in Washington gemeinsam mit Kooperationspartnern auf der ganzen Welt zu den Daten recherchiert. In Deutschland waren der NDR, der WDR und die Süddeutsche Zeitung an den Recherchen beteiligt, weltweit mehr als 80 Reporter unter anderem vom britischen Guardian, von Le Monde aus Paris, dem Schweizer Tages-Anzeiger und von Dutzenden weiterer Medien.
Die bisher geheimen Dokumente zeigen, wie zahlreiche multinationale Firmen, darunter Pepsi, FedEx und Procter & Gamble, vom System Luxemburg profitiert haben. Zudem finden sich neue Unterlagen zu Amazon und IKEA in dem Datensatz. Beide Unternehmen waren durch ihre Steuergestaltungen bereits öffentlich in die Kritik geraten. In dem Datensatz finden sich auch drei deutsche DAX-Konzerne: die Deutsche Bank, der Energieversorger E.ON und der Gesundheitskonzern Fresenius Medical Care.
Den Dokumenten zufolge hat der Energieversorger E.ON über eine Niederlassung in Luxemburg firmeninterne Kredite vergeben. Experten gehen davon aus, dass der Konzern auf diese Weise die Steuerlast in Großbritannien, in Schweden und in den USA verringert hat. Das Unternehmen erklärt auf Nachfrage, sich an die Steuergesetze aller Länder zu halten. Auch der Gesundheitskonzern Fresenius Medical Care hat über eine Luxemburger Tochter firmeninterne Kredite vergeben. Nach eigenen Angaben sparte das Unternehmen somit legal Steuern in Höhe von fast einer Million Euro im Jahr.
Die Deutsche Bank hat in Luxemburg, Malta, auf den Cayman Islands und im US-Bundesstaat Delaware Fondgesellschaften gegründet. Diese Fonds wurden so konstruiert, dass bei Immobilienprojekten in mehreren europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, kaum Steuern anfielen. Die Deutsche Bank erklärt auf Nachfrage von NDR, WDR und SZ, dass es sich bei den Fondsstrukturen nicht um Steuersparmodelle handele.
Auch Pensionskassen deutscher Ärzte investieren Geld über Luxemburg im Ausland. Die Versorgungswerke sind Anstalten des öffentlichen Rechts und in Deutschland steuerbefreit. Die Luxemburg-Konstruktion sollte sicherstellen, dass auch die Auslandsinvestments steuerfrei sind, teilten die Pensionskassen auf Anfrage mit.
Steuersparmodelle für Konzerne sind in Luxemburg legal. Allerdings prüft die Europäische Kommission bereits in zwei Fällen, ob die Entscheidungen der Luxemburger Behörden nicht gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoßen, weil den Konzernen unfaire Vorteile eingeräumt würden.
Die Unterlagen stammen vorwiegend aus den Jahren 2008 bis 2010 und fallen damit in die Amtszeit des damaligen Premierministers Jean-Claude Juncker. Der heutige EU-Kommissionspräsident Juncker kündigte an, sich in die Ermittlungen nicht einzumischen. "Ich werde in den Fällen keinen Einfluss auf die Geschehnisse nehmen. Ich werde mein Amt nicht missbrauchen", sagte er dem NDR.
Luxemburgs amtierender Premierminister Xavier Bettel verteidigt die Steuerpolitik seines Landes. "Was Luxemburg gemacht hat, war okay", sagte er der SZ. Sein Land sei keine Steueroase. "Ich kann aber die Steuern nicht erhöhen, nur weil es dann meinen verschuldeten Nachbarländern besser geht", so der Premierminister.
Die betroffenen Konzerne betonten in Stellungnahmen, dass sie stets legal gearbeitet hätten. Die Unternehmensberatung PwC teilte mit, sie handele "in Übereinstimmung mit lokalen, europäischen und internationalen Steuergesetzen". Sie habe einen Fall von Datendiebstahl an die relevanten Behörden übergeben.
Bereits 2012 hatte der französische Journalist Edouard Perrin erstmals über einen kleinen Teil der Dokumente berichtet.
Das ICIJ wird den Datensatz ab sofort auf seiner Internetseite www.icij.org veröffentlichen.
5. November 2014 / IB
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