Urteil im "Fahnenmast-Prozess": Lkw-Fahrer muss Geldstrafe zahlen
Der Prozess um den Tod einer Auszubildenden durch einen umgestürzten Fahnenmast in Kiel ging mit einem Schuldspruch zu Ende. Der Verurteilte muss nun mehrere tausend Euro Strafe zahlen.
Vor dem Kieler Amtsgericht ist am Mittwoch ein für alle Prozessbeteiligten kräftezehrender Prozess zu Ende gegangen. Der Lkw-Fahrer wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Im August 2020 war er mit einem Laster auf dem Kieler Rathausplatz rückwärts gegen einen Fahnenmast gefahren. Dieser war abgebrochen und hatte eine 23-jährige Auszubildende erschlagen. Das Gericht verhängte gegen den Fahrer aus Bayern eine Geldstrafe von 5.400 Euro. Die Mutter der toten jungen Frau war an allen drei Prozesstagen gekommen. Ihr Anwalt sagte: "Es geht nicht um eine möglichst schwere Strafe, sondern darum zu verstehen, was passiert ist." Nach 20 Monaten der Unwissenheit sei dies nun der Fall.
Umfassende Aussage wurde zugunsten der Angeklagten gewertet
Beide Angeklagten hatten Dienstag umfänglich ausgesagt, den Ablauf des schicksalsschweren Tages aus ihrer Sicht geschildert. Diese umfängliche Aussage, die das Gericht für plausibel hielt, weil es mit den Zeugenaussagen und den Gutachten übereinstimmt, wurden zugunsten der Angeklagten gewertet. Das Verfahren gegen den Beifahrer wurde unter einer Auflage eingestellt. Der 75-Jährige muss nun 1.200 Euro an das Kieler Hospiz zahlen. Die Spende an das Hospiz geht auf den Wunsch der Mutter der getöteten Frau zurück.
Verständigung über das Strafmaß
Schon Anfang der Woche hatten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und der Fahrer auf eine sogenannte Verständigung geeinigt. Für sein umfassendes Geständnis wurde dem 62-jährigen Fahrer eine Geldstrafe in Aussicht gestellt. Noch während seiner Aussage versagte ihm mehrmals die Stimme und er bat die Mutter der Toten um Entschuldigung. Die Mutter selbst schilderte am letzten Prozesstag unter Tränen, wie sie jeden Tag an ihre Tochter denke, wie sehr sie sie vermisse und dass sie die Entschuldigung nicht annehmen könne. Auch der angeklagte Beifahrer entschuldigte sich dennoch in seinem Schlusswort noch einmal - mit Tränen in den Augen.
Verkettung sehr unglücklicher Umstände
Der Richter stellte in seiner Urteilsbegründung fest: Es gab eine Reihe furchtbar unglücklicher Umstände. So sorgte eine Baustelle dafür, dass der Lkw-Fahrer rückwärts auf den Platz fahren musste. Hinzu kommt: Ein Gutachten kommt zu dem Schluss, dass der Fahnenmast einen Materialfehler hatte. Dadurch sei er nicht nur eingeknickt, sondern abgebrochen. Der Richter betonte aber auch: "Der Fahrer hat erheblich fahrlässig gehandelt."
Wenige Meter war der Fahrer blind gefahren
So wurde der Fahrer von seinem Beifahrer etliche Meter rückwärts eingewiesen. Nur wenige Meter bevor sie den Anhänger erreichten, den sie ankoppeln wollten, drehte sich der Beifahrer von dem Fahrer weg und wandte sich dem Anhänger zu. Dieses Stück fuhr der Fahrer nach eigenen Angaben und nach Überzeugung des Gerichts quasi blind und traf den Fahnenmast. Der brach und erschlug die 23-Jährige. Der 62-Jährige ist seit mehr als 30 Jahren Berufskraftfahrer. So etwas hätte ihm nicht passieren dürfen, er hätte umsichtiger handeln müssen und niemals ohne etwas zu sehen, rückwärts fahren dürfen, so der Richter in der Urteilsverkündung.