Der Moderator Yared Dibaba © Annika Fußwinkel

Yared Dibaba: "Vielfalt ist wie das Wetter"

Stand: 14.05.2024 10:19 Uhr

Yared Dibaba ist Moderator, Entertainer, Schauspieler. Er ist als Kind mit seinen Eltern vor dem Bürgerkrieg aus Äthiopien nach Deutschland geflüchtet und spricht perfekt Plattdeutsch.

Yared Dibaba: Weil es die Sprache des Nordens ist und weil es die Sprache meiner norddeutschen Heimat ist. Es ist etwas, was mich neben vielen anderen Erlebnissen und Dingen, die ich in meinem Leben hier so erfahren durfte, mich mit den norddeutschen Menschen verbindet.

Wie sind die Reaktionen also, wenn sie Menschen auf Plattdeutsch ansprechen?

Dibaba: Die freuen sich, weil wir die gleiche Sprache sprechen. Und das meine ich nicht nur im sprachlichen Sinne, sondern auch im übertragenen Sinne. Da schwingt gleich ganz viel Verbundenheit mit.

Sie haben mal erzählt, dass sie ihren Glauben als Kind selbst gewählt haben. Was haben Sie damit gemacht?

Dibaba: Im Rückblick stimmt es nicht ganz. Der Glaube wurde mir auch von meinen Eltern vorgelebt. Mein Vater hat für die MeKane-Yesuskirche, die gehört zum Lutherischen Weltbund, in Oromia in Äthiopien gearbeitet. Das ist eine sehr religiöse Region. Also, Glaube sieht man überall, wo Menschen Glauben praktizieren. Und ich habe bei vielen Menschen gespürt, dass sie eine gewisse Kraft erfahren durch das Gebet, durch das gemeinsame Beten, durch das Praktizieren des Glaubens.

Und ich hatte im Krankenhaus große Angst, weil in dieser Nacht wieder eine dieser üblichen Schießereien war, wo Soldaten in den Straßen unterwegs waren und Menschen umgebracht wurden. Es war wirklich ganz schrecklich - und für mich als achtjähriges Kind war das ein traumatischer Augenblick. Und ich hatte ein Buch, das hieß "Kinderbriefe an den lieben Gott" von irgendjemandem geschenkt gekriegt. Ich bin ja in Osnabrück eingeschult worden und bin dann ja wieder zurück. Und dieses Buch habe ich genommen und habe einfach gelesen und habe dadurch das Gefühl gehabt, dass Gott an meiner Seite ist, mich beschützt und mir Hoffnung und Zuversicht gibt. Und da habe ich dann angefangen, das immer wieder zu machen, weil es mir guttat. Und das meinte ich dann auch mit selbst gewählt. Also ich habe sozusagen für mich entschieden, das hilft mir, das gibt mir Kraft, und das gibt mir auch eine Form von Kompass.

Der Moderator Yared Dibaba © Annika Fußwinkel
AUDIO: Gott und die Welt mit Yared Dibaba (6 Min)

Da lag sozusagen etwas down. Sie haben zugegriffen, so. Haben sie einen Lieblingsbibel-Spruch?

Dibaba: Ich finde, das Gebot der Nächstenliebe ist etwas, was mich ein Leben lang begleitet hat.

Sie haben mal gesagt, dass sie sich aus unterschiedlichen Identitäten, sozusagen Speisen und aber auch, dass das am Anfang schwierig für sie war ...

Dibaba: Ja, ich hatte als Kind und Jugendlicher, eigentlich auch als junger Mensch noch bis zu meinem 24 Lebensjahr das Gefühl, zwischen den Stühlen zu sitzen - zwischen den Kulturen, zwischen den Ländern, zwischen den Sprachen, zwischen die Mentalitäten. Bis ich dann meine Heimat Oromia und meine Großmutter in dem Dorf, in dem auch mein Vater geboren wurde, wieder besucht habe und dieses Gefühl von Heimat, Zugehörigkeit, Familie und Wärme noch einmal erlebt habe, nach 15 Jahren Flucht. Und das hat mir die Gewissheit gegeben, dass ich eine Heimat und eine Wurzel habe. Und das hat mir aber auch die Kraft gegeben, anzunehmen, dass sich auch eine neue Heimat und wieder eine neue Verwurzelung habe. Und dann habe ich gedacht Mensch, diese beiden Heimaten existieren wunderbar miteinander. Ich sitze nicht zwischen zwei Stühlen, sondern ich sitze auf zwei Stühlen.

Also Sie haben dann ein neues Bild von Identität gewonnen. Dass es sich aus ganz vielen Teilen zusammensetzt. Richtig?

Dibaba: Ja.

Und wie geht es Ihnen dann damit, wenn Sie feststellen, dass es in Deutschland auch Stimmen gibt, die irgendwie gegen Vielfalt sind? Wie gehen Sie damit?

Erstmal kann jeder für und gegen etwas sein. Aber Vielfalt ist ja jetzt nicht etwas, was wir uns ausgesucht haben, sondern Vielfalt ist wie das Wetter. Vielfalt ist da. Das Wetter ist auch da, man kann ja nicht gegen das Wetter sein und sagen, ich habe keinen Bock auf Wetter. Und so ist es auch mit Vielfalt, also allein zwischen uns beiden - jetzt hier im Gespräch - gibt es Aspekte, die zeigen, wie vielfältig wir beiden sind. Ich bin ein Mann, Sie sind eine Frau. Sie sind weiß, ich bin schwarz, sie haben Haare, ich habe keine Haare. Also, es gibt viele Dinge, die allein uns beide unterscheiden. Und das ist Vielfalt. Also, das heißt Vielfalt ist eine Realität, die es in unserer Gesellschaft gibt. Was wir lernen müssen, ist in diesen Tagen besser mit Vielfalt umgehen zu können, denn vorher war es vielleicht nicht so nötig, weil uns das gar nicht so aufgefallen ist. Aber jetzt wird Vielfalt immer sichtbarer in unserer Gesellschaft. Und Teile der Gesellschaft, die vorher nicht sichtbar waren oder nicht wahrgenommen wurden, wollen jetzt wahrgenommen werden und teilhaben an der Gesellschaft. Ich glaube, das ist erstmal richtig und gut, denn jeder Mensch sollte das Recht haben, teilzuhaben an der Gesellschaft. Aber einige haben etwas dagegen. Warum, das habe ich noch nicht so richtig verstanden …

Was ist Ihre Hoffnung?

Dibaba: Meine Hoffnung ist, dass das Wir größer und stärker ist. Und dass wir verstehen, dass das Wir uns allen auch Kraft gibt. Bei aller Unterschiedlichkeit, die wir haben und das auch ein großes Wir entsteht - auch oder weil wir unterschiedlich sind. Und das sollten wir auch sein und auch leben dürfen. Jede Person sollte auch zu ihrem Recht kommen, ohne dass sie die Rechte anderer einschränkt.

Das Interview führte Susanne Richter. Redaktion: NDR

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Moderator Yared Dibaba am 17.02.2022 im NDR Schlager Studio © NDR Foto: Wolf-Rüdiger Leister

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Yared Dibaba empfängt norddeutsche Künstlerinnen und Künstler zum plattdeutschen Talk. Jeden dritten Sonntag im Monat von 10 bis 12 Uhr. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Gott und die Welt - der Podcast | 10.02.2024 | 07:40 Uhr

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