"Und alle machen mit" - inklusive Fitnesskurse in Pinneberg
Vor zehn Jahren hat Andreas Witten nach Sportangeboten für seinen Sohn gesucht. Ohne Erfolg, denn Jannis hat eine geistige Behinderung. Deshalb hat er selbst die inklusive Fitnessgruppe der Lebenshilfe in Pinneberg gegründet.
Das quietschende Geräusch von Turnschuhen auf dem Linoleumboden erfüllt die Turnhalle der Hans-Claussen-Schule in Pinneberg. Der inklusive Fitnesskurs startet ins Training. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer laufen im Kreis, immer um Trainer Andreas Witten herum. Der motiviert: "Das sieht schon mal gut aus! Und jetzt drehen wir mal den rechten Arm von hinten nach vorne." Jeden Donnerstagabend treffen sie sich hier zum gemeinsamen Sport - seit 2014. Rund 15 Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen.
Alle sind willkommen
Nach einem Fangspiel zum weiteren Aufwärmen ist erst einmal Dehnen angesagt. Im Kreis steht auch Florian Hannemann: "Ich mache für den Ausgleich mit - um mal den Kopf freizukriegen und von der Arbeit abzuschalten", sagt er, während er seine Hände zu den Füßen hinunterstreckt. Dem 22 Jahre alten Jan Tabors fällt die Übung schwer. "Ich bin ungelenkig, das ist nicht meins." Aber aufgegeben wird in diesem Sportkurs keiner. Denn hier lautet das Motto: "Und alle machen mit". Jeder in seinem eigenen Tempo und auf seine eigene Art. "Hier muss man als Trainer viel mehr kommunizieren und motivieren", erzählt Andreas Witten. "Denn die Frustrationsgrenze ist bei uns teilweise eine andere." Seine Übungen sollen die Ausdauer, Kraft, Motorik und Selbstwahrnehmung fördern. Aber das Wichtigste dabei sei der Spaß an der Sache und die Gemeinschaft.
Mit der richtigen Förderung geht fast alles
Als er vor rund zehn Jahren nach einem Sportkurs für seinen Sohn Jannis suchte, der eine geistige Behinderung hat, gab es so ein Angebot noch nicht. Und kein Sportverein wollte ihn aufnehmen. "Es hieß, er könne keinen Sport treiben, weil er zu schwach sei und seine Muskeln zu wenig aufgebaut", erinnert sich Andreas Witten. Also hat er kurzerhand selbst einen Übungsleiterschein gemacht und die inklusive Fitnessgruppe der Lebenshilfe in Pinneberg gegründet. Und gezeigt, dass sein Sohn es doch kann - mit der richtigen Förderung. "Jannis hat es geschafft - nicht weil wir es wollten, sondern weil er es selber wollte", erzählt Andreas Witten. "Man muss die Menschen an der Stelle weiter fördern, wo die Begeisterung aus ihnen selbst heraus kommt." Die Leidenschaft seines Sohnes ist das Laufen.
Erster Platz beim Stadtlauf Elmshorn
Mittlerweile gibt es auch eine Nordic Walking- und zwei Fußballgruppen. Und alle, die mitmachen, haben sich im Laufe der Zeit extrem weiterentwickelt. Jannis sogar so sehr, dass er bei jedem Stadtlauf, an dem er teilnimmt, das Podest erreicht. "Gerade bin ich beim Elmshorner Stadtlauf Erster geworden", erzählt der mittlerweile 31-Jährige mit einem Grinsen, während er bei einer Übung auf der Bank seine Beinmuskulatur stärkt. "Das Schöne daran ist, ihm in die Augen zu gucken, und zu sehen, wie sehr er sich freut, dass er jetzt all die Dinge kann, die er vorher nicht konnte", sagt Andreas Witten. Er würde das inklusive Sport-Angebot gerne noch erweitern. Aber die Trainer brauchen eine spezielle Ausbildung - und die koste Geld, sagt er.
"Schön locker durchatmen! Die Arme nach oben, alles ausschütteln", ruft er am Ende der Stunde. "Na, habt ihr gemerkt, was ihr eben trainiert habt?" "Kraft, Zusammenhalt, Kondition", rufen alle durcheinander. Im kommenden Jahr wird die inklusive Fitnessgruppe in den Sport-Club Pinneberg eingegliedert. Dafür hat Andreas Witten sich jahrelang eingesetzt - "damit der Kurs nicht mehr nur in einer separierten Parallelwelt stattfindet. Sondern mitten in der Gesellschaft."