Ganztag an der Grundschule: Kommunen fühlen sich im Stich gelassen
Ab 2026 haben Erstklässler Anspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen in Niedersachsen. Doch die Vorbereitungen laufen schleppend. Kommunen klagen über fehlende Unterstützung der Landesregierung.
Es ist ein düsteres Bild, das der Niedersächsische Städtetag in diesen Tagen zeichnet. In gut zwei Jahren kommt der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen zunächst für Erstklässler, ab 2029 dann für alle Grundschüler. "Das werden wir nicht schaffen", sagt Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetags. Viele Schulen seien nicht vorbereitet, die Kommunen fühlen sich im Stich gelassen.
Für Ganztagsbetreuung sind teure Umbauten nötig
Ein zentrales Problem ist, dass die meisten der rund 1.700 Grundschulen in Niedersachsen umgebaut werden müssen. Denn viele Schulgebäude sind im vergangenen Jahrhundert errichtet worden, konzipiert als reine Lernstätten. Damit sich Kinder aber auch am Nachmittag dort gern aufhalten, braucht es zusätzliche Aufenthaltsräume - zum Spielen oder Ausruhen.
Wie viel Geld bekommt eine Kommune?
Wie viel finanzielle Unterstützung die Kommunen von Bund und Land für die Umbauten bekommen, war lange nicht klar. Erst seit März gibt es die Investitionsförderrichtlinie. Die bestimmt nun, wie viel Geld jede Kommune erhält. Doch Freude oder Erleichterung löst die Einigung von Bund und Ländern in den Kommunen nicht aus.
Finanzielle Unterstützung "völlig unzureichend"
Dirk Seidler, Bürgermeister der Gemeinde Rosengarten im Kreis Harburg (parteilos), stellt die Richtlinie vor große Herausforderungen. 17 Millionen Euro muss er für den Umbau seiner vier Grundschulen auftreiben. Laut Investitionsrichtlinie kann er rund 635.000 Euro Unterstützung erwarten. Das deckt nicht einmal vier Prozent der Kosten ab. "Das ist völlig unzureichend", sagt Seidler. Der Rest müsse nun über Kredite finanziert werden.
Selbst in Musterschulen fehlen Personal und Geld
Neben den Baukosten gibt es noch ein zweites großes Problem: Den Betrieb. Die Gemeinde Neu Wulmstorf im Kreis Harburg hat über 50 Millionen Euro für den Neubau zweier Grundschulen ausgegeben. Die bereits fertiggestellte Grundschule am Moor hat nun Spiel- und Lernecken, Schulgärten und eine große Mensa, damit das Mittagessen vor Ort frisch zubereitet werden kann. Dennoch muss hier schon im ersten Jahr der Betrieb von Ganztagsschule auf Ganztagsbetreuung zurückgefahren werden. "Ganz einfach, weil Lehrer und Personal fehlen und weil auch die finanziellen Mittel dafür fehlen, den Betrieb darzustellen", sagt Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke (SPD).
Kultusministerium kontert Kritik
Das Niedersächsische Kultusministerium wehrt sich gegen Kritik, es gebe nicht ausreichend finanzielle Unterstützung für die Städte und Gemeinden, um die Schulen ganztagsfähig zu machen. Zu Umbauten erklärt das Ministerium: "Das Land Niedersachsen stellt dafür in den Jahren 2024 bis 2027 Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt rund 55 Millionen Euro zur Unterstützung der Kommunen bei den Investitionskosten zur Verfügung." Es sei nicht vorgesehen, dass Land oder Bund Kosten für ohnehin anstehende Baumaßnahmen, die Aufgabe der Kommunen sind, übernehmen. Für den Ganztagsbetrieb zahlt das Land nach eigenen Angaben schon jetzt dreistellige Millionenbeträge, das werde weiter erhöht.
"Die Räumlichkeiten werden nicht überall da sein."
Trotzdem sei bis heute viel zu wenig klar geregelt, kritisiert Jan Arning vom Niedersächsische Städtetag - und prophezeit einen schweren Start. "Die Räumlichkeiten werden nicht überall da sein." Er sei auch skeptisch, ob es Schulen und Land gelinge, überall einen vernünftigen Betrieb an den Start zu bringen. "Es wird ruckeln, es wird rumpeln zu Anfang, das muss man ganz klar sagen."